Geschichte(n) auf dem Alten Friedhof
Der Begriff „Friedhof“ ist auf das Alt- und Mittelhochdeutsche „frithof“ oder „vrithof“ zurückzuführen und bedeutet umfriedeter Platz. Die Grabstellen entstanden um die Kirchen herum, damit auch die verstorbenen Christen miteinander vereint und Gott nah sein konnten. Insofern ist ein Friedhof in erster Linie ein Ort der Trauer, des Trostes und der Stille. Diese Atmosphäre strahlt der Alte Friedhof in Bad Zwischenahn besonders aus – durch den mittelalterlichen Kirchenbau und die Lage direkt am See.
(Kirchhof St. Johannes um 1850 (1)_unbek. Maler, Gemälde und Bild Ev.-luth. Kirchengemeinde Zwischenahn)
Die Zwischenahner identifizieren sich mit diesem Ort, denn nicht umsonst ist die Kirche Motiv zahlreicher Fotos und Postkarten.
Neben seiner eigentlichen Funktion ist ein Friedhof aber auch kulturwissenschaftlich interessant. So kann man hier die sich immer wieder verändernde Bestattungskultur vergangener Zeiten nachvollziehen, vom repräsentativen Grabstein eines angesehenen Bürgers in früheren Jahrhunderten bis zum schlichten Urnengrab von heute.
Ein Beispiel aus der Barockzeit ist der Grabstein für den Hausmann Gerdt Dierckes (Dierks) aus Querenstede (1652-1717) auf dem südlichen Teil des Friedhofs. Auf dem Kopfteil befindet sich ein weinender Genius des Todes mit einer brennenden Fackel, Sinnbild der Freude, der seinen Fuß auf einen Totenschädel gesetzt hat. Neben einem Bibel-Psalm haben die Hinterbliebenen einen längeren Nachruf am Stein anbringen lassen:
WIR SCHLIESSEN JETZT NUN DEINE GEBEINE O WERTHER VATER IN DAS GRAB UND LESEN VON DEM GRABSTEINE DIR DIESE LETZTE LOBSCHRIFT AB. HIER LIEGT EIN MANN DER SICH BFLISSEN AUFF GOTT UND AUFF EIN GUT GEWISSEN
Nicht zuletzt ist ein Friedhof wie der Alte Friedhof in Bad Zwischenahn aber auch wie ein Spaziergang durch die Historie des jeweiligen Ortes. Zwei Beispiele:
Auf der Südseite der Kirche befindet sich ein Grabstein der Hausmannsfamilie Schumacher aus Aue. Im oberen Teil des Steins ist die sternförmige Hausmarke des Hofes angebracht. Der Besitz lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen und besteht bis heute (Klosterhof Aue). Auf dem Stein hat Johann Schumacher (1748 – 1810) in Kurzform die Ehe mit seiner früh verstorbenen Frau Annemegrete (1744 – 1789) beschrieben:
JOHANN SCHUMACHER ZUR AUE EHEFRAU ANNEMEGRETE GEBORENE MARKEN: GESTORBEN 1789 D: 15 JANU WART IHR ALTER GEBRACHT 44 JAHR 10 MON 7 TAGE IN UNSER EHE GEZEUGT 6 TOCHTER
Ein weiterer Grabstein im südlichen Bereich des Friedhofs ist der des Justizrats und Amtsvogts zu Zwischenahn Carl von Negelein (1754 – 1808) und seiner Ehefrau Christina geborene Ahlers aus Wehnen (1761 – 1805). Die Amtsvogtei befand sich ab 1784 in der früheren Hofstelle Lamken, die erstmalig 1424 im Oldenburger Urkundenbuch erwähnt wird (heute Lange Straße 3a, Bünting). Der gemeinsame Sohn Peter Ludwig Carl Friedrich von Negelein (1783 – 1826) war Amtmann zu Westerstede und Besitzer von Schloss Fikensolt. Peter Ludwig Carl Friedrich von Negelein war 1813 während der Franzosenzeit (1810-1813) Mitglied einer fünfköpfigen Regierungskommission des Herzogtums Oldenburg und wurde wegen angeblichen Aufruhrs vor ein französisches Kriegsgericht gestellt. Die beiden Mitglieder der Kommission Christian Daniel von Finkh und Albrecht Ludwig von Berger wurden im April 1813 von den Franzosen in Bremen erschossen.
Die Bestattungskultur hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich geändert. Es werden weniger Familiengräber und dafür mehr Urnengräber angelegt, so dass auf den Friedhöfen vermehrt Freiflächen entstehen. Im Jahre 2021 wurde daher auf der Nordseite des Friedhofs eine gärtnerbetreute Gemeinschaftsanlage mit zwei Stelen für Urnenbeisetzungen angelegt. An den Stelen können die Namen der Verstorbenen angebracht werden.
Auf dem Alten Friedhof sind heute nur noch Urnenbestattungen zulässig. Erdbestattungen werden nach wie vor auf dem Neuen Friedhof am Diekweg vorgenommen, der im Jahr 1929 eingerichtet wurde – damals bedingt durch das Bevölkerungswachstum in der Gemeinde. Die Friedhofskapelle besteht dort seit 1938. Bis vor kurzem wurde der Volkstrauertag am großen Gräberfeld für 147 Tote des Zweiten Weltkrieges am Diekweg begangen. Mit dem heute vorausgehenden Gottesdienst in der St.-Johannes-Kirche findet dieser nun auf dem Alten Friedhof statt. Auf dessen Nordseite zum Meer hin befindet sich das Ehrenmal für die gefallenen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Im Gemeinschaftsgrab wurden insgesamt 17 Personen begraben:
13 deutsche Soldaten, zwei russische Kriegsgefangene und zwei deutsche Zivilpersonen, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges ums Leben kamen.
Bildnachweis:
Ev.-luth. Kirchengemeinde Zwischenahn (1, 3)
Archiv Günter Marken (2, 4, 6, 9, 11, 16, 17)
Archiv Klaus Harms (5)
Archiv Ilka Bünting (14, 15)
Gemeindearchiv Bad Zwischenahn, Bestand von Oven (7, 8)
Gemeindearchiv Bad Zwischenahn, Bestand Heinrich Jaspers (10, 12)
Gemeindearchiv Bad Zwischenahn, Nachlass Riecke (13)
Quellennachweis:
Wolfgang Büsing, Johann Peter Ahlers, ein bedeutender oldenburgischer Forstmeister des 18. Jahrhunderts, Oldenburger Gesellschaft für Familienkunde,1960
Günter Marken, Die Ammerländer Familie Marken – Brader – zu Eyhausen, Auf den Spuren einer alten Kaufmanns- und Bauernfamilie im Oldenburger Land, Oldenburger Gesellschaft für Familienkunde, 2003
Christian Wöbcken und Gerold von Ohlen, Die St.-Johannes-Kirche in Bad Zwischenahn, Bad Zwischenahn 2005
Dieser Beitrag zum „Foto des Monats“ wurde in Kooperation mit Günter Marken und der Ev.-luth. Kirchengemeinde verfasst. Neugierig geworden?
Dann sind Sie am 14. April herzlich zum „Tag des offenen Friedhofs“ bei der St. Johannes-Kirche mit Ausstellung im Turmraum eingeladen, um noch mehr Geschichte(n) auf dem Friedhof zu entdecken. Weitere Infos zur Veranstaltung finden Sie hier.
St.-Johannes-Kirche, Am Brink 8,
26160 Bad Zwischenahn